Donnerstag, 17. Januar 2013

Hoffnung kommt von oben -1-

Prolog

Er küsste sie. Er küsste sie nochmal und nochmal. Immer wieder. Sie heulte hemmungslos und auch ihm lief eine Träne die Wange hinunter. Eine zweite. Es ist so hart.
Sie riss sich von ihm los und rannte zum Taxi. Kurz vor ihrem Ziel blieb sie abrupt stehen und drehte sich noch einmal um, zwang sich zu einem kraftlosen, aber optimistischen Lächeln und formte ihre Lippen zu einem stummen „Ich liebe Dich“. Er versuchte ebenfalls zu lächeln, er wollte es so sehr. Er wollte bei ihr einen guten letzten Eindruck hinterlassen.
Es gelang ihm nicht.

Langsam streckte er seine Hand aus, als würde er nach ihr greifen wollen. Ihre Gesichtszüge wurden wieder trauriger und sie taumelte die letzten Schritte rückwärts zum Taxi, als wolle sie seiner Hand entfliehen. Schliesslich stieg sie ein und verliess ihn. Endgültig. Für immer.
Er fühlte sich einsam. Abgekapselt von der Welt, die weiterhin funktionierte wie eh und je. Aber er, er funktionierte gerade nicht. Ihm fehlte der Antrieb. Ihm fehlte seine Freundin. Ihm fehlte mindestens eine ganze Hälfte von sich selber. Die bessere Hälfte.

Er wusste nicht, wie lange er da stehen blieb und ins leere starrte oder wie viele Leute ihn beobachteten. Er verlor jegliches Gefühl für Raum und Zeit und es war ihm auch völlig egal, denn all dieser Raum und all diese Zeit würde in Zukunft ohne sie sein.
Nach einiger Zeit löste er sich von seinem Platz. Seine Augen brannten.  Er lief durch die Gegend. Orientierungslos. Ziellos. Nicht in blinder Panik, sondern in tiefer Hoffnungslosigkeit.

Ein paar Stunden später hatte er sich etwas gesammelt und steuerte auf seinen Lieblingsplatz zu. Ein Aussichtspunkt, mitten in Luzern mit Sicht auf den See, die Berge und die Stadt. Eine kleine Mauer, die ihm nicht höher als bis zum Knie reichte, grenzte den Platz ein. Für ihn war die Mauer allerdings meterhoch. Durchsichtig, imaginär, aber unüberwindbar für all seine Sorgen und Probleme.
Normalerweise setzte er sich auf die steinerne Bank, die bewacht von zwei grossen, stämmigen Birken in der Mitte des Platzes steht. Doch heute war kein normaler Tag. Kein normales Problem beschäftigte ihn. Kein kurzes Durchatmen würde ihm Hoffnung geben.

Er suchte sich einen Platz am Rand und setzte sich auf die Mauer. Starrte in die Ferne, ohne etwas Bestimmtes zu beobachten. Dann sah er auf seine Füsse und den metertiefen Abgrund, der sich darunter verbarg. Ohne diese feige Art der Selbstzerstörung wirklich in Betracht zu ziehen, war ihm dieser verlockende Ausweg nur zu gut bewusst.
Er zwang sich, den Abgrund zu ignorieren und sich dem Himmel zuzuwenden. Hoffnung kommt von oben. Gerade als er sich auf die Mauer legen und mit der linken Hand seinen Stellungswechsel abstützen wollte, kippte einer der Decksteine der Mauer weg und fiel gemeinsam mit ihm rückwärts zu Boden. Er fluchte lauthals, klopfte sich den Dreck von den Kleidern und stand auf. Als er den Stein wieder an seinen Bestimmungsort legen wollte, fiel es ihm auf. Ein brauner Umschlag, (muss unter dem Stein gelegen haben) auf dem gross das Datum von vor zwei Tagen zu lesen war. Ob der für jemanden bestimmt ist?

Er konnte nicht wiederstehen und öffnete Ihn.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen